Der Prebound-Effekt benachteiligt einkommensschwache Haushalte.
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Ein Blog-Beitrag von Ray Galvin, FCN
Haushalte mit geringem Einkommen können von einer energieeffizienten Renovierung profitieren, weil dadurch ihr Heizenergieverbrauch gesenkt wird. Daher wird oft argumentiert, dass es in Ordnung ist, die Miete zu erhöhen, nachdem die Wohnung für eine bessere Energieeffizienz renoviert wurde.
Allerdings gibt es dabei ein ernsthaftes Problem in Form des "Prebound-Effekts". Der Prebound-Effekt wurde 2012 von meiner Kollegin Prof. Minna Sunikka-Blank von der Universität Cambridge und mir entdeckt - bzw. identifiziert. Wir untersuchten Daten zu Heizenergiebedarf und -verbrauch aus Tausenden von Wohneinheiten in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Bedarf ist die theoretische Energiekennzahl, die auf einer objektiven Bewertung der thermischen Eigenschaften des Gebäudes und des Heizsystems beruht. Der Verbrauch ist der tatsächliche, gemessene Energieverbrauch, in der Regel gemittelt über drei Jahre. Meine Kollegin und ich haben damals festgestellt, dass bei älteren, unsanierten Wohnungen der Verbrauch durchweg niedriger war als der Bedarf. Die Bewohner:innen verbrauchten etwa 30-35 % weniger Heizenergie als erforderlich wäre, um alle Räume das ganze Jahr über auf eine gesunde, angenehme Temperatur zu heizen. Wir nannten dies den "Prebound-Effekt" (https://doi.org/10.1080/09613218.2012.690952).
Wir haben auch festgestellt, dass der Verbrauch in neuen oder kürzlich renovierten Wohnungen oft höher war als der Bedarf. Dies ist der klassische "Rebound-Effekt". Weil es so billig ist, eine hoch energieeffiziente Wohnung zu heizen, verbrauchen die Bewohner:innen oft mehr als den Bedarf.
In der Folge wurden weltweit rund 20.000 Studien zum Prebound-Effekt durchgeführt, und er wurde durchweg für ältere, energieineffiziente Gebäude bestätigt.
Meine Kollegin und ich im Institut FCN haben kürzlich die Prebound-Effekte bei Ein- und Zweifamilienhäusern in ganz Deutschland untersucht. Dazu haben wir eine Datenbank von Immoscout24 mit Hunderttausenden von Anzeigen für Häuser zur Miete und zum Verkauf im Zeitraum 2007-2021 verwendet. Wir berechneten den durchschnittlichen Bedarf und den durchschnittlichen Verbrauch für Häuser, die in jedem Jahr von 1800 bis 2021 gebaut wurden.
Abbildung 1 zeigt den durchschnittlichen Bedarf und Verbrauch der zum Verkauf stehenden Häuser im Zeitraum 2007-2021 für jedes Jahr. Bei Häusern, die vor 1970 gebaut wurden, liegt der Bedarf bei 200-300 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr (kWh/m2a), der Verbrauch jedoch nur bei 150 kWh/m2a. Dies bestätigt, dass die Bewohner:innen dieser älteren Häuser zwischen 25 und 40 % weniger Energie verbrauchen, als theoretisch für die Beheizung ihrer Wohnungen erforderlich wäre: ein Prebound-Effekt von 25-40 %.
In Abbildung 2 ist der Prebound-Effekt für jedes Baujahr dargestellt. Es zeigt sich, dass er bei Häusern, die vor 1950 gebaut wurden, im Durchschnitt bei etwa 40 % liegt und bei Häusern, die Anfang der 1980er Jahre gebaut wurden, als die ersten Energieeffizienzstandards eingeführt wurden, auf etwa 20 % abfällt.
In Abbildung 3 ist der Verbrauch gegen den Bedarf aufgetragen, was zeigt, dass der Bedarf bei Häusern mit sehr hohem Bedarf viel höher ist als der Verbrauch.
Für Mietwohnungen haben wir sehr ähnliche Auswirkungen festgestellt. Was bedeutet das für einkommensschwache Haushalte?
Die durchschnittliche Wohnfläche der zum Verkauf stehenden Häuser, die vor 1980 gebaut wurden, betrug 182 m2, und der durchschnittliche Bedarf lag bei 220 kWh/m2a. Die Nachrüstung eines solchen Hauses auf den Mindeststandard von 100 kWh/m2a würde den Energieverbrauch theoretisch um 120 kWh/m2a senken. Über die 25-jährige Lebensdauer der Sanierungsmaßnahmen würde dies theoretisch 546.000 kWh Heizenergie einsparen. Bei dem derzeitigen Preis von 12 Eurocents/kWh entspricht dies einer Einsparung von 65.520 €.
Berücksichtigt man jedoch den Prebound-Effekt, so verringert sich diese Einsparung erheblich. Abbildung 3 zeigt, dass das durchschnittliche Haus mit einem Bedarf von 220 kWh/m2a einen Verbrauch von nur etwa 150 kWh/m2a hat. Wenn dieser auf einen Bedarf von 100 kWh/m2a umgerüstet wird, zeigt Abbildung 3, dass der Verbrauch auf etwa 90 kWh/m2a sinkt. Die Bewohner:innen sparen also nicht 120 kWh/m2a, sondern nur 60 kWh/m2a (150 - 90 = 60). Die Bewohner:innen sparen also nicht 65.520 € an Heizkosten über 25 Jahre, sondern nur die Hälfte, 32.760 €. Den Bewohner:innen gehen durch den Prebound-Effekt Energieeinsparungen im Wert von über 32.760 € "verloren".
Entscheiden sich die Eigentümer:innen, nicht zu verkaufen, würde der Prebound-Effekt ihre Rendite halbieren und sie mit ziemlicher Sicherheit daran hindern, das Geld, das sie für die energetische Sanierung ausgegeben haben, zurückzubekommen. Dies ist eine sehr schlechte Nachricht für einkommensschwache Hausbesitzer:innen.
Ein ähnliches Problem ergibt sich für einen Haushalt, der eine Wohnung mietet. Die durchschnittliche Wohnfläche von vor 1980 gebauten vermieteten Häusern betrug 150 m2, und der durchschnittliche Bedarf lag bei 190 kWh/m2a. Wenn Vermieter:innen diese Wohnung auf den Mindeststandard sanieren, sinkt der theoretische Energieverbrauch um 90 kWh/m2a. Damit würden die Mieter:innen über 25 Jahre theoretisch 337.500 kWh Heizenergie einsparen, was derzeit einem Wert von 40.500 € entspricht.
Aber durch den Prebound-Effekt, wie aus Abbildung 3 hervorgeht, betrug der Verbrauch vor der Nachrüstung jedoch nur etwa 145 kWh/m2a und wird auf etwa 90 kWh/m2a sinken, was einer Reduzierung um nur 55 kWh/m2a entspricht. Dies reduziert die Energieeinsparung auf 185.625 kWh, und die Mieter:innen sparen nur 20.500 € statt 40.500 €.
Wir haben auch festgestellt, dass der Mietmarkt bei diesen Häusern so beschaffen ist, dass eine Mieterin oder ein Mieter für jede reduzierte kWh/m2a eine Prämie von 70 Eurocent pro Monat zahlt. Über 25 Jahre hinweg sind das 31.500 €. Aufgrund des Prebound-Effekts entsteht dem Mieter oder der Mieterin also ein Defizit von 11.000 € über 25 Jahre, also 37 €/Monat. Bei einem Haus, das nach einem höheren Standard, z. B. KfW-55, saniert wurde, wäre dieser Betrag weitaus höher.
Da Deutschland versucht, die Energieeffizienz seines Gebäudebestands zu erhöhen, könnten einkommensschwache Haushalte aufgrund von Prebound-Effekten finanziell leiden. Regierungen in einigen Ländern berücksichtigen inzwischen ausdrücklich Prebound-Effekte bei der Berechnung der Vorteile einer energetischen Sanierung, aber Deutschland scheint dies noch nicht in seine Berechnungen einbezogen zu haben. Das muss sich ändern, wenn wir die Notlage einkommensschwacher Haushalte bei der Energiewende ernst nehmen wollen.